29. März, 2023
In Berlin ist zwar gerade der Volksentscheid zur Klimaneutralität ab 2030 gescheitert, aber dennoch ist Klimaschutz wichtig. Außerdem herrscht in Zeiten des Ukraine-Kriegs große Unsicherheit bei der Frage der Versorgungssicherheit mit Energie. Um beides mit einer Klappe zu erschlagen, könnten sonnige Freiflächen mit Solarpanelen ausgestattet werden. Daher sind Balkonkraftwerke in aller Mund. Sowohl für Vermieter als auch für Wohnungseigentümergemeinschaften stellt sich die Frage, ob die Wohnungsnutzer eine Photovoltaikanlage außen an ihrem Balkon anbauen dürfen. Das Amtsgericht Konstanz hat dies jetzt für einen Wohnungseigentümer entschieden (AG Konstanz, Urteil vom 09.02.2023 – 4 C 425/22).
Fall:
Der Mieter einer Eigentumswohnung bringt an seinem Balkon eine Photovoltaikanlage an. Die Vermieterin und Eigentümerin der Wohnung war damit einverstanden. Bei der Anlage handelte es sich um ein Modul mit der Fläche 168 cm x 100 cm. Es war mit einem Wechselrichter angeschlossen.
Bei der nächsten Eigentümerversammlung beschließen die Eigentümer der Wohnungseigentumsanlage rechtliche Schritte gegen die Vermieterin und Eigentümerin. Diese ficht den Beschluss an.
Das Gericht prüft daher, ob der Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach, also ob die Gemeinschaft einen Anspruch gegen die Eigentümerin hat, die Anlage zu entfernen bzw. ob die Eigentümerin einen Anspruch auf Anbringung der Anlage hat.
Urteil:
Das Gericht weist die Klage ab, denn ein Eigentümer hat keinen Anspruch auf Anbringung einer Photovoltaikanlage am Balkon.
Das Gericht prüft hier § 20 WEG – Bauliche Veränderungen.
§ 20 Abs. 1 WEG
Die Anbringung einer Photovoltaikanlage auf einem Balkon ist eine bauliche Veränderung. Bauliche Maßnahmen sind solche, die über die ordnungsgemäße Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen. Die Abgrenzung zur Gebrauchsregelung erfolgt in der Regel anhand des Merkmals des Substanzeingriffs. Wenn kein Substanzeingriff vorliegt, liegt auch keine bauliche Veränderung vor. Das Gericht folgt dieser Abgrenzung nicht, sondern nimmt ohne weitere Begründung eine bauliche Veränderung an. In der Literatur wird die bauliche Veränderung auch dann bejaht, wenn eine Veränderung, die die optische Gestaltung des Gemeinschaftseigentums wesentlich abändert. Offensichtlich sah das Gericht dies als gegeben an.
Dennoch lässt sich dieser Gedanke nicht formelartig wiederholen. In jedem Einzelfall ist daher zu prüfen, ob ohne Substanzverletzung eine bauliche Veränderung vorliegt. Dies dürfte nicht der Fall sein, wenn keine wesentliche optische Änderung vorliegt.
§ 20 Abs. 2 WEG – privilegierte Maßnahme
Die Eigentümerinnen beriefen sich im vorliegenden Fall auf § 20 Abs. 2 Nr. 1 WEG und meinten, dass das Anbringen einer Solaranlage am Balkon ein Annex zur Nutzung einer Wallbox für das Aufladen von elektrisch-betriebenen Fahrzeugen ist. Dann wäre dies eine so genannte privilegierte Maßnahme, auf die die Eigentümerinnen Anspruch hätten. Auch das verneinte das Gericht mit der Begründung, dass es sich um zwei vollkommen verschiedene Baumaßnahmen handele und eine Gesetzeslücke nicht erkennbar sei.
Tatsächlich enthält § 20 Abs. 2 WEG eine abschließende Aufzählung. Das Gericht setzt sich ausführlich mit der Frage auseinander, ob der Gesetzgeber dies übersehen habe. Dafür spricht, dass die Reform des WEG vor dem Hype der Balkonkraftwerke diskutiert und beschlossen wurde. Allerdings weist das Gericht zu Recht darauf hin, dass Maßnahmen des Klimaschutzes hätten aufgenommen werden können.
§ 20 Abs.3 WEG – Ermessensreduzierung auf Null
Ein Nachteil ist jede konkrete, objektiv nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung, von der sich ein Eigentümer beeinträchtigt fühlen dürfe und abzugrenzen von rein subjektiven Befindlichkeiten und belanglosen oder neutralen Veränderungen. Liegt ein solcher Nachteil vor, kann ein Eigentümer die bauliche Veränderung nicht verlangen.
Die Änderung des optischen Eindrucks ist aber ein solcher Nachteil. Zu prüfen ist demnach bei der Frage, ob ein Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft einen Anspruch auf Beschlussfassung zur Anbringung einer Photovoltaikanlage auf dem Balkon hat, ob die Anbringung zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung führt, die über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht, was sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls bestimmt. Es geht um einen Vorher-Nachher-Vergleich unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung. Diese optische Beeinträchtigung bejahte das Gericht in diesem Einzelfall, nachdem es die Anlage in Augenschein genommen hat.
Das heißt aber für andere Fälle auch an dieser Stelle wird zu prüfen sein, welche optische Beeinträchtigung vorliegt und inwiefern sich auch die Verkehrsanschauung hier ändert.
Fazit:
Aktuell sprechen mehr Argumente gegen den Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Anbringung einer Photovoltaikanlage an einem Balkon. Doch andererseits wird hier davon ausgegangen, dass sich die Verkehrsanschauung ändern kann, je mehr Anlagen dieser Art es gibt.
Außerdem meine ich, dass der Gesetzgeber gefordert ist, auch Maßnahmen für den Klimaschutz zu privilegieren. Ansonsten sind unsere Städte weder 2030 noch 2045 klimaneutral – egal wie viele Volksabstimmungen es dazu gibt.
Autorin: Katharina Gündel, GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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